Der erste Spieltag der #HooliganEM 2016 in Frankreich

Vorwort

Über Ereignisse im Hooliganismus zu berichten/zu schreiben ist nicht leicht. Es gibt selten Primärquellen, so dass sich ein Großteil der Informationen auf soziale Netzwerke, Foren und Seiten beziehen, welche mit der Szene in Kontakt stehen. Hooligans stehen nicht so auf Pressearbeit und wer mag es ihnen verdenken, bei dem fehlerhaften Material und den böswilligen Analysen in manchen Medien. Dennoch sind die Szeneinformationen aus dem Web mit Vorsicht zu genießen, da Maulhelden immer mal Fakes streuen, um sich wichtig zu tun. Eine Vollständigkeit oder eine komplette Korrektheit des Inhalts dieses Artikels kann daher nicht gewährleistet werden. Er soll aber eine Art grobe Übersicht für Interessierte darstellen.

Der Kampf für den Verein oder im aktuellen Falle für die Nation kann in verschiedenen Kategorien geführt werden. Die verschiedenen Kategorien haben dabei eine unterschiedliche gesellschaftliche Akzeptanz. Primär geht es um den sportlichen Teil, welcher eben vom Fußball ausgefüllt wird. Daneben sind es die Fans, die durch laute Gesänge und Choreographien für Anerkennung bei Anhängern anderer Klubs/Nationen sorgen oder eben nicht. Beides ist weitestgehend akzeptiert, nehmen wir die Pyrotechnik aus. Während beides sogar von Nicht-Fußballfans durchaus nachvollzogen werden kann und gerade in EM-/WM-Zeiten tauchen eben diese Menschen auf, so ist der Hooliganismus eben verpönt. Die Hooligans, welche durch Gewalt innerhalb ihres Milieus für Anerkennung sorgen, prügeln für ihren Verein/ihre Nation. Dabei unterscheidet sich das Ergebnis der Anerkennung innerhalb des Hooliganmilieus, wo es als Sport betrachtet wird, und außerhalb des Milieus, wo die Angst z.B. vor Russen ebenfalls das ist, was sie wollen. Die Angst vor bestimmten Hooligans aufgrund ihrer Stärke, Konsequenz oder Ruf ist eine nicht freiwillig abgegebene Anerkennung an die Leistung der Gruppen.

#HooliganEM

Erwartungsgemäß gab es beim bisherigen Verlauf der EM 2016 in Frankreich Ausschreitungen von Hooligans verschiedenster Länder. Zentrale Städte der Auseinandersetzungen waren Paris, Lille, Nizza und Marseille. Besonders die Russen taten sich hierbei hervor, da sie sich nicht nur auf die Straßen und Marktplätze konzentrierten, sondern auch im Stadion zum Abpfiff vorwiegend englische Fans von der Tribüne jagten.

Russische Hooligans schützen sich mit Sitzen vor Wurgeschossen von englischen Hooligans © Screenshot Instagram

Russische Hooligans schützen sich mit Sitzen vor Wurgeschossen von englischen Hooligans © Screenshot Instagram

Den gesamten ersten Spieltag durch gab es immer wieder besonders zwischen Russen und Engländern Kämpfe, die mit äußerster Brutalität geführt wurden. In unzähligen Videos ist zu sehen, wie sich die Engländer gegen die anstürmenden Russen mit Wurfgeschossen (Steinen, Flaschen und Gläsern) wehren. Die Russen dagegen machen wie gewohnt Kleinholz aus den Engländern die sie erwischen, indem sie auf am bodenliegende Gegner ein, bzw. gezielt gegen den Kopf treten. Man wird es aus den Russen nicht herausbekommen, dass ein Kampf nicht erst beendet sein muss, wenn der Gegenüber sich nicht mehr bewegt, sondern auch schon früher vorbei sein kann. Eventuell muss man aber, wenn man sich eben in diesem Milieu bewegt, mit eben diesen Konsequenzen leben. Jedes Land hat da Eigenarten, so sollen sich die Hooligans in Polen vor kurzem drauf geeinigt haben bestimmte Waffen in Kämpfen nicht mehr zu verwenden.

Durchforstet man die Seiten der sozialen Medien und Foren in Bezug auf Hooliganismus während der EM sieht man primär Bilder von Russen mit erbeuteten englischen Fahnen. Warum es die Russen auf die Engländer abgesehen lässt sich nur erahnen. Wie wenn man Bilder sieht auf denen ein Grabstein mit der Aufschrift „RIP English Hooliganism“ steht. Die Russen wollen mit aller Macht zeigen, wer auf Hooliganebene in Europa die Nummer 1 ist.

Neben dem großen Kampf zwischen England und Russland gab es allerdings auch andere. Fast jedes Land, vor allem aus Ost- und Südosteuropa präsentierte bisher auf einschlägigen Seiten und in einschlägigen Foren Bilder mit erbeuteten Nationalfahnen. Diese resultieren aus Spontanangriffe, die nicht unbedingt fair ablaufen müssen und auch nicht viel mit dem „heroisch-ehrenhaften“ Verhalten zu tun haben, mit dem man sich zu schmücken versucht. Wenn 50 Deutsche, mehrere hundert Ukrainer oder 100 Russen mehr als 1.000 Engländer verjagen, dann nicht, weil sie unbedingt so stark sind, sondern weil eventuell beim Gegenüber ein anderes Klientel vorhanden ist. Es ist für einen Hooligan wenig ehrenvoll einen unsportlichen Daddy umzuhauen und diesem seine Fahne wegzunehmen. Ähnlich verhält es sich beim Abziehen im bundesdeutschen Fußball. Und das ist das Problem bei Hooliganausschreitungen im Rahmen solcher Turniere. Es treffen sich eben nicht immer zwei Hoolgruppen zum Duell und trinken danach gemütlich wieder ein Bier, wie es ein russischer Hooligan im ZDF sagt.

Auch aufm Acker geht’s rund

Anders dagegen sind eben abgesprochene Kämpfe. Von denen bekommt man nicht viel mit, sie werden konspirativ vorbereitet und durchgeführt. Nur selten gibt es Angaben zu wer, wann, wieviel und vor allem – wer war der Sieger.

Abgesprochener Kampf zwischen Österreicher und Ungarn © Screenshot Facebook

Abgesprochener Kampf zwischen Österreicher und Ungarn © Screenshot Facebook

Bisher gab es dazu zwei dokumentierte abgesprochene Kämpfe in Frankreich. So traf eine Allianz verschiedener österreichischer Hools im 15 gegen 15 auf Ungarn und verlor. In Paris gab es ein innerschwedisches Duell nach dem Irland-Schweden-Spiel. AIK gewann mit 40 Personen gegen eine 20er Gruppe von Hammarby, die bereits einen Tag zuvor in Schweden bei einem fairen 17 gegen 17 von Hansa Rostock besiegt wurde. (Anmerkung: Verschiedene Quellen sprechen davon, dass der Kampf schon länger her sei und nun wieder ausgepackt wurde) In Schweden gab es noch ein weiteres Duell. Der HSV war zu Gast mit dem FC Kopenhagen und fing sich beim 42 gegen 48 eine Niederlage gegen Göteborg ein. Göteborg nahm am ersten „Team Fighting Championship“ (TFC) 2014 teil. Einer Art Hooligan-MMA-Teamkampf im Ring. Daneben soll es das übliche im rumänischen Lager gegeben haben. Steaua und Dinamo schafften es wohl wieder nicht eine Einigkeit zu präsentieren und sollen sich in bekannter Manier gegenseitig attackiert haben.

Pyromanie wird von UEFA zensiert, brennt aber weiter

Die UEFA sorgt dafür, dass dies nicht im TV zu sehen ist. Russische Anhänger zündeln gegen England im Stadion © Screenshot Instagram

Die UEFA sorgt dafür, dass dies nicht im TV zu sehen ist. Russische Anhänger zündeln gegen England im Stadion © Screenshot Instagram

Nichts mit Hooliganismus, aber gern damit vermengt, hat Pyrotechnik. Auch da gab es für eine EM auffallend viel. Bengalische Lichter brannten in den Blöcken der Albaner, Russen, Kroaten, Türken und Ungarn. Ein wenig Rauch gab es bei den Schweden zu sehen.

Internationaler Faschismus/Neonazismus

Hooligans von Steaua Bukarest erreichen Frankreich © Screenshot Instagram

Hooligans von Steaua Bukarest erreichen Frankreich © Screenshot Instagram

Die Veranstaltung für nationalgeschwängerte Tölpel zieht natürlich auch „eine kleine Minderheit“ an, welche als ultranationalistisch, faschistisch oder neonazistisch klassifiziert werden können. Gerade der Hooliganismus zieht eben diese politischen Fraktionen an. So tauchten die Hools von Steaua Bukarest in Paris mit eindeutigen Shirts auf. Drauf zu sehen ist ein Deutscher Reichsadler, der im Kranz kein Hakenkreuz, sondern das „S“ ihres Gruppennamens trägt: „ShadowS“. In Frankreich selber sollen sich die rassistischen „KOP“ von Paris St. Germain in Marseille präsentiert haben, um gegen englische Hooligans zu kämpfen, die sich zuvor mit den Anhängern von Olympique Marseille angelegt haben soll. Infolge der Ausschreitungen in Marseille überprüften französische Polizeibeamte einen Bus russischer Fans bei Nizza auf dem Weg nach Lille. Von den 50 Insassen wurden 29 aus dem Land gewiesen. Unter ihnen der russische Faschist Alexander Schprygin.

Sächsische Hooligans in Lille © Unbekannt

Sächsische Hooligans in Lille © Unbekannt

In Deutschland löste das erste Spiel der „Mannschaft“ einen kleinen Skandal aus. So präsentierten sich Hooligans und Ultras in Lille mit einer großen Reichskriegsflagge der Jahre 1903 – 1921 vor dem Bahnhof. Diesen sollen sie mit den Rufen „Wir sind wieder einmarschiert“ und „Hurra, Hurra, die Deutschen, die sind da“ verlassen haben. Unter den Fans soll es sich um eine „Sachsen-Connection“ gehandelt haben. Verifiziert ist nur die Teilnahme von Anhängern des Chemnitzer FC, Dynamo Dresden und FSV Zwickau. Dresden und Zwickau präsentierten sich mit Schal, Chemnitzer trugen Shirts mit dem Stadtwappen als Aufdruck.

Später präsentierten sie die Fahne an einer Kneipe. Dort soll auf einem Foto auch der Dortmunder Neonazi Michael Brück zusehen gewesen sein. Später sah man ihn mit dem Gesinnungsgenossen Matthias Deyda im Stadion beim Spiel. In Deutschland hat Brück in den Stadien von Dortmund, Leverkusen und Bremen Hausverbot. Ob er oder die explizite Gruppe an den Angriffen auf die Ukrainer beteiligt waren, ist nicht belegt.
In Deutschland blieb es verhältnismäßig ruhig. In Berlin sangen auf der Fanmeile eine Handvoll Neonazis das Deutschlandlied in allen drei Strophen und einer zeigte den Hitlergruß. In Stuttgart schossen Personen in Deutschlandtrikots aus einem fahrenden Auto mit Platzpatronen auf einen Nicht-Weißen.

Der Staat schaut zu?

An der Grenze wurden bereits deutsche und russische Hooligans an der Einreise gehindert und zurückgeschickt. Ein halbes Dutzend Engländer wurden im Schnellverfahren abgeurteilt, abgeschoben und haben teilweise ein Betretungsverbot von zwei Jahren für Frankreich. Andere Hooligans die in Gewahrsam gelandet sein sollen, kamen aus Deutschland, Österreich, Frankreich und aus Ungarn. Es ist davon auszugehen, dass diese ebenfalls nach einem schnellen Urteil ebenfalls abgeschoben werden. Insgesamt nahm die französische Polizei etwas mehr als 100 Personen im Rahmen der EM-Spiele in Gewahrsam. Ob alle an Ausschreitungen beteiligt waren ist unbekannt. Verletzt wurden nur etwa 40, davon wenige schwer bzw. lebensgefährlich. Bisher gab es während der EM zwei Tote. Ein 71-jährigen Belgiers verstarb auf dem Weg zu einem Spiel, vermutlich auf Grund von Herzproblemen. Ein 25-jähriger Nordire fiel alkoholisiert über ein Geländer und stürzte 10 Meter in den Tod. Durch die Ausschreitungen kam bisher niemand zu Tode oder zu bekannten bleibenden Schäden.

Ausblick

Es ist davon auszugehen, dass der zweite Spieltag so ähnlich weitergehen dürfte. Da hilft auch die Verwarnung der UEFA gegen Russland nicht. Ein Tag nach dem Spiel Russland gegen Slowakei in Lille spielt England gegen Wales im 35km entfernten Lens. Die Strecke dürften die Kampfsportler aus Russland sogar zu Fuß schaffen. Auch Deutschland gegen Polen ist nicht zu Unrecht ein Hochsicherheitsspiel. Gerade die Neonazis und Faschisten beider Länder könnten hier gewalttätig aufeinandertreffen. Auch bei den übrigen Partien muss mit kleineren Scharmützeln gerechnet werden.

So sollen auch einige Hooligans noch nicht mal im Land sein. Die Ausschreitungen werden so weitergehen, wie auch die bengalischen Fackeln während der EM brennen. Beides gehört ebenso zum Fußball, wie die Showeinlagen vor dem Spiel und die Kommerzialisierung während des Spiels. Unterschiedliche Fußballanhänger haben nur unterschiedliche Vorlieben und stören sich an verschiedensten Dingen.

Eine Antwort zu “Der erste Spieltag der #HooliganEM 2016 in Frankreich

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