Seit mehr als einem Jahr finden in Berlin Montags Versammlungen des Vereins „Bärgida“ statt. Eine umfangreiche parlamentarische Anfrage der Grünen Abgeordneten Clara Herrmann gibt eine Übersicht über den Niedergang des „Pegida“-Ablegers, sowie über dessen Zusammensetzung. „Bärgida“ versteht sich als Berliner Ableger der „Pegida“-Bewegung.
Abendland retten? Fragt sich mit wem?!
Insgesamt konnte Bärgida bei 65 Versammlungen im Zeitaum von Januar 2015 bis März 2016 knapp 9200 Teilnehmer auf die Straße bringen. Im Schnitt waren es nur 140 und die zeigt die geringe Relevanz des „Pegida“-Ablegers. Kamen bei den ersten vier Versammlungen im Schnitt noch 500 Teilnehmer, hat es sich inzwischen bei unter 100 eingepegelt. Dies dürfte der Stamm an Protagonisten sein.Dabei versuchen sie auch in Brandenburg für Bärgida zu werben. Regelmäßig befinden sich Berliner bei den „Abendspaziergängen für eine angemessene Asylpolitik“ in Oranienburg, die maßgeblich von der NPD mitorganisiert wird. In Potsdam schuf Christian Müller, der regelmäßig als Ordner bei Bärgida dabei ist, ebenfalls einen wenig erfolgreichen Ableger mit dem Namen „Pogida“. Fanden sich dort anfangs noch Organisatoren verschiedener rechter Aufmärsche in Nord- und Westbrandenburg ein, sind es nun nur noch die Berliner und ein paar verirrte Potsdamer bzw. Neonazis aus umliegenden Orten. Die Teilnehmerzahl ist daher ähnlich der von Bärgida – kaum dreistellig. Die Zusammensetzung bei Bärgida der Teilnehmer reicht laut Innensenat von extrem rechten Personen bis in das „bürgerliche Spektrum“.

Nur, weil Du Rechte mit Eiern bewirfst, musst Du ja nicht links sein. Sagt das LKA Berlin. © Sören Kohlhuber
Auch hier gibt es kuriose Fallbeispiele. So bemerkten am 27.04.2015 Polizeibeamt, dass zwei Eier auf den Boden einschlugen, konnten aber nicht sagen, woher diese kamen, was eine Zuordnung der PMK verhinderte. Die Ermittlungen wegen des Verdachts der „gefährlichen Körperverletzung“ nach § 224 StGB dürften mittlerweile eingestellt worden sein.
Am Rande von „Bärgida“ fanden sich aus dem Berliner LKA verschiedene Spezialisten ein. Die Observation der Aufmärsche übernahmen die „Szenekundigen Beamten“ aus den „Phänomenbereichen“ „Polizeilicher Staatsschutz“ (PMS), „Einsatzgruppe Hooligans“ (EGH) und der „Gewaltorientierte Organisierte Kriminalität“ (OK), die vor allem die Rocker-Szene überwachen. Obwohl sich spezialisierte Beamte aus diesen Teilbereichen mal zeitgleich, mal verteilt, mal gar nicht bei „Bärgida“ zeigten, tauchen in der parlamentarischen Anfrage keine Teilnehmer aus dem Phänomenbereich „OK“ auf. Auch die „EGH“ vermeldet nur viermal je eine Person im Zeitraum 09.03.2015 bis 31.08.2015. Dabei handelte es sich um Personen (oder einer Person), die in der Berliner „Datei Gewalttäter Sport“ geführt werden. Die umstrittene Datei enthält Einträge von 1.483 sportbegeisterten Berlinern, die als Straftäter geführt werden, auch wenn es keine Verurteilung gegen sie gab. Darunter befinden sich Fußball-, Eishockey- und Basketballfans.
Wer will da wöchentlich das Abendlandretten?
„Bärgida“ entstand nicht spontan als Protestkultur, sondern hatte bereits rechtspopulistische und rassistische Vorläufergruppen.
Einer der Hauptorganisatoren ist Carl Schmitt, Vorsitzender von „Patrioten e.V.“ und ehemaliges Mitglied verschiedener Parteien und Gruppen darunter die CDU, „Die Freiheit“, „Bürgerbewegung Pax Europa“ und „Pro Deutschland“. Ein weiterer Hauptorganisator ist der Bundesvorsitzende von „Pro Deutschland“, Manfred Rouhs, welcher regelmäßig den Lautsprecherwagen stellt und selber Reden hält.
Das Spektrum der Organisatoren ist dabei nicht nur auf „Pro Deutschland“ beschränkt. Als Redner bei fast jeder Versammlung tritt auch ein Mario auf, der sich bei Facebook den Nachnamen „Autunno“ gibt. Im sozialen Netzwerk, wie in seinen Reden, wirbt er für einen „Generalstreik nach Artikel 20 des Grundgesetzes“. Er ist mutmaßlich Mitglied der Berliner „PI-News“-Gruppe und soll gemeinsam mit „Michael Mannheimer“ aka Michael Merkle, eine Internetseite betreiben, die zum Generalstreik aufruft, sowie ein „Nürnberg 2.0“ bewirbt.So ist es auch nicht verwunderlich, dass PI-News bei jeder „Bärgida“-Aufmarsch mit einem Transparent anwesend ist. Beim „Bärgida“-Ableger in Potsdam trat PI-News mit ihrem Banner sogar als Fronttransparent auf.

Heribert Eisenhardt verdeckt sein Gesicht © Sören Kohlhuber
Im vergangenen Jahr wollte er Bundeskanzlerin Merkel stürzen. Sein Facebook-Aufruf war garniert mit einer Abbildung Angela Merkels im Fadenkreuz. Zum „Sturz“ kamen zwanzig Personen sowie die Polizei, welche Kastius in Gewahrsam nahm. Aus ihrer Sicht hatte er zu Straftaten aufgerufen.
Unter den Rednern und Teilnehmern waren sämtliche rechte Gruppen Berlins vertreten. Von Reichsbürgern wie Mario Romanowski über den Hauptorganisator der Berliner Friedensmahnwachen Carsten Halffter bis zu Sebastian Schmidtke, dem Berliner Landesvorsitzenden der NPD. Dazwischen gab es die obskuren „Kinder-HoGeSa“, die inzwischen zwar als Gruppe, aber ohne Label auftauchen, nachdem sich das „Bündnis Deutscher Hooligans“ zerfleischte, weil ihr Anführer eine Asylunterkunft angegriffen hatte.
Die Zusammensetzung der Teilnehmer bei Bärgida-Aufzügen sorgt immer wieder für Diskussionen innerhalb dieser kleinen Bewegung. Sowohl über die Auftritte der Parteien, als auch den Auftritt des „Antifa-Aussteigers“, Marcel Göbel, wird offen gestritten.
Fazit
Eine Reanimierung der „Bärgida“ auf ihr Anfangsniveau ist nicht erkennbar. Generell scheint der Zenit der rechtskonservativen Bürgerproteste schon lange erreicht zu sein. Einzig das Original in Dresden schafft es noch 2.000 bis 3.000 Teilnehmer zu erreichen. In anderen Orten bewegen sich die Teilnehmerzahlen der „Abendspaziergänge“ maximal im mittleren dreistelligen Bereich, besonders in der Region Berlin/Brandenburg aber eher im unteren dreistelligen Drittel bis eher zweistellig.
Doch auch beim Gegenprotest zeigten sich nur wenige mit einem langen Atem. Fanden sich in Berlin beim ersten Mal noch 5.000 Gegner ein, so lag auch hier die Norm eher bei 100 bis 200 Personen. Häufig sind es dieselben jungen noch unorganisierten und unerfahrenen Protagonisten, die die Bärgida-Aufzüge durch Sprechchöre begleiten. Aus den schlechten Erfahrungen bei vergangenen rechten Aufmärschen in Berlin kündigen Unbekannte aus der linken Szene an, in naher Zukunft Demonstrationstraining anzubieten. Besonders für die jungen Gegenprotest-Aktivisten dürfte dies interessant und wichtig sein.