„Die Einsatzlage hat sich […] bundesweit wie in Brandenburg […] grundlegend verschärft.“ Dies soll die Begründung des brandenburgischen Innenministeriums sein, warum man eine „Wasserwerferstaffel“ im Land benötigt. Diese Aussage ist in der Antwort zu einer parlamentarischen Anfrage der Landtagsabgeordneten Andrea Johlige (Die LINKE) zu finden.
2012 wurden die letzten Wasserwerfer 9000 (kurz „WaWe 9“) ausrangiert. Man ging damals im Ministerium davon aus, dass es keine Gefährdungslagen mehr geben wird, die einen solchen Einsatz rechtfertigen. Dazu kamen laufende Kosten von mehreren zehntausend Euro im Jahr.
Innenminister sieht Notwendigkeit

Brandenburger Bereitschaftsbeamte entspannen beim TddZ in Dresden 2014 © Sören Kohlhuber [Aufgrund gerichtlicher Entscheidung geschwärzt]
Doch der Wasserwerfer kam nur zwei Mal als direktes Einsatzmittel zum sprichwörtlichen Schuss: Am 30. Oktober 2004 durfte die damals noch landeseigene Staffel heran. Und dies geschah auch nur aufgrund eines Einsatzfehlers. Damals wollten etwa 350 Neonazis durch die Potsdamer Innenstadt marschieren. Mehr als 1.000 Menschen, darunter rund 500 Autonome stellten sich diesen entgegen. Die Polizei bildete auf der Langen Brücke eine Kette als Absperrmaßnahme zum Bahnhof. Damals hatten die Straßenbahngleise noch Schottersteine im Gleisbett. Gleichzeitig befand sich neben der Brücke eine große Baustelle. Ein Stopp vor der Brücke hätte potenziellen Störern das entsprechende Material für Blockaden und Angriffe auf die Polizeikräfte gegeben. Als Reaktion auf den Bau von Barrikaden und dem vereinzelten Werfen mit Steinen reagierte man mit dem Einsatz von Wasserwerfern. Die Folge war, dass die Menschenmenge in Richtung Innenstadt getrieben wurde und dort weitere brennende Barrikaden und Zerstörung hinterließ.
Der zweite Einsatz fand am 6. Juni 2015 in Neuruppin statt. Ein Aufmarsch mit mehreren hundert Rechten war geplant, zeitgleich fand der G7-Gipfel und das Finale der Fußball-Champions-League in Berlin statt. Aus diesem Grund lief die Polizei in Brandenburg auf dem Zahnfleisch. Sie hatte nicht mal alle eigenen Kräfte vor Ort und holte sich daher Unterstützung aus Hamburg – u.a. einen „WaWe 10“. Dieser duschte recht früh eine kleine Gruppe Autonomer in der Nähe des Auftaktsortes der Neonazis ab, nachdem diese die Einsatzkräfte mit Steinen beworfen haben sollen. Der Wasserwerfer hätte mühelos durch eine geeignete Anzahl an Einsatzkräften ersetzt werden können.
Erst seit dem Aufzug der wenigen Dutzend Rechten unter dem Label „Pogida“ in Potsdam im Jahr 2016 wurde verstärkt der Wasserwerfer als Drohmaßnahme eingesetzt – insgesamt zehn Mal.

Nur selten müssen die BFEen (hier Oranienburg in Rathenow 2016) in Brandenburg tatsächlich aktiv werden © Sören Kohlhuber
Ansonsten blieb Brandenburg bisher wasserfrei. Eine Notwendigkeit, wie sie das Innenministerium sieht, ist daher nicht erkennbar. Da hilft auch nicht der Verweis auf den Einsatz geschlossener Einheiten. Das Innenministerium gibt an, dass „eine Wasserwerferstaffel lageabhängig den Einsatzwert einer geschlossenen Einheit“ habe und die Einsätze der Landespolizei stark angestiegen seien. Dies wird auf die Anti-Asyl-Proteste und einer erhöhten Sicherheitslage bei Fußballspielen begründet. Von 72 Einsätzen im Jahr 2014 stieg die Zahl auf 128 Einsätze im Jahr 2015. Für das Jahr 2016 prognostiziert man 212 Einsätze. Doch betrachtet man die 128 Einsätze aus 2015, so ist auch hier fraglich, inwiefern ein Wasserwerfer als notwendig betrachtet werden kann.
Sollte ein Wasserwerfer als Ersatz für eine geschlossene Einheit aufgestellt werden, macht dies nur Sinn, wenn auch mehrere Hundertschaften benötigt werden. Doch eine Vielzahl der rechten Aufmärsche kamen mit nur einer polizeilichen Hundertschaft als Begleitung aus. Einzig vereinzelte Aufmärsche in Potsdam, Rathenow oder Frankfurt/Oder, sowie ein Einsatz in Strausberg wurde mit einem entsprechenden Großaufgebot von zwei oder aller landeseigenen Einsatzhundertschaften geführt. Dazu kommt immer die Möglichkeit die Bundespolizei im brandenburgischen Ahrensfelde(aus dem Ortsteil Blumberg), sofern die Einsatzlage kurzfristig dies erfordert. Dort sind vier Einsatzhundertschaften (EHu), eine Beweis- und Festnahmehundertschaft (BFHu), eine Beweis- und Festnahmeeinheit + (BFE+) und zwei Technische Einheiten (TE) mit Wasserwerfer vorhanden.

Brandenburger Bereitschaftsbeamte entspannen beim TddZ in Dresden 2014 © Sören Kohlhuber [Aufgrund gerichtlicher Entscheidung geschwärzt]
Bei einer Vielzahl der rechten Aufmärsche gab es keinen oder wenig nennenswerten Gegenprotest. Einzig die Proteste in Potsdam entwickelten eine Dynamik und Größe, wo Wasserwerfer im Jahr 2016 hinzugezogen wurden, aber auch nicht aktiv ins Geschehen eingriffen.
Unnötige Kosten

Das schwerste Gerät des Brandenburger Fuhrparks – der Sonderwagen 4 mit Abdränggitter – kommt nur selten auf die Straße © Sören Kohlhuber
Die berechneten Unterhaltungskosten einer eigenen Staffel pro Jahr betragen 70.-75.000 Euro (beschafft man sich einen „WaWe 10“ und einen „WaWe 9“ trägt der Bund die Anschaffungskosten). Zusätzlich entstehen Ausbildungskosten. Diese beziffert das Innenministerium mit 30.000 Euro im Anschaffungsjahr und noch mal 5.000 Euro pro Jahr. Somit kommt man im Anschaffungsjahr auf über 100.000 Euro und anschließend mindestens 80.000 Euro im Jahr – sofern die „Staffel“ aus je einem „WaWe 10“ und einem „WaWe 9“ besteht.
Dank der parlamentarischen Anfrage ist ersichtlich, wie viel Kosten die „Leihe“ im Rahmen des Amtshilfegesuchs ergibt. In der Zeit von 2012 bis 2015 waren es gerade einmal 13.500 Euro. Für das Jahr 2016, wobei es hier nur um einen exorbitant großen Polizeieinsatz geht, der nicht im Verhältnis zur angemeldeten Demonstration steht, ergibt dies eine Gesamtsumme von rund 110.000 Euro. Dabei ist es fraglich, ob die „Leihe“ notwendig war. Bei einem Volumen von 100 rechten Demonstranten und unter tausend Gegendemonstranten hätte man auch ausreichend Personal ohne schweres Gerät beordern können. Die 110.000 Euro kamen auch nicht direkt zum Einsatz – sie standen rum, brummten kurz, hatten aber auch bei Sitzblockaden nichts zu tun, außer zu drohen, statt zu räumen.
In Berlin nutzte man zwischenzeitlich die landeseigenen Wasserwerfer für andere Zwecke, da sie in der Einsatzplanung kaum noch eine zentrale Rolle spielten. 2003 setzte man u.a. den „WaWe 9“ zum Gießen von Bäumen ein. Vermutlich konnte man so gegenüber dem Landesrechnungshof „Einsatzstunden“ vorlegen, da dieser dem klammen Bundesland schon länger wohl empfohlen hätte den eigenen Fuhrpark zu dezimieren.
Einsatztaktisches Harakiri

BFE-Beamte aus Oranienburg bei der Festnahme eines Antifaschisten in Wittenberge 2014 © Sören Kohlhuber
In dem Wasserwerfer, insbesondere dem „WaWe 10“ sieht das Innenministerium ein „moderne[s] und in ihrer Konzeption grundrechtsfreundliche Einsatzmittel der Deeskalation.“ Doch dies ist eine Fehlannahme, wie man anhand anderer Bundesländer sehen konnte und kann.
Während man in Hamburg durchgehend auf den Wasserwerfereinsatz als direktes Aufstandsbewältigungsmittel sieht, agiert man in Berlin fast ohne dieses Gerät und verlässt sich auf die Kraft der geschlossenen Einheiten. Der Hintergrund ist dabei ein einfacher.
Im Jahr 2004 entschloss sich die Berliner Polizei zu einem einsatztaktischen Umdenken.(nachzulesen ist dies u.a. in der „Polizeibroschüre“ Autonomer Gruppen in Berlin. Die pdf kann hier runtergeladen werden) Statt blind in eine Menge von Demonstranten hineinzuagieren, setzte man auf die Herausbildung der sog. „Greiftrupps“. Diese sollen vermeintliche Störer identifizieren und in Gewahrsam nehmen, ohne größere Schäden an Unbeteiligten vorzunehmen. Daraus würde auch ein geringerer Solidaritätseffekt der umstehenden Menschen erfolgen. Gleichzeitig kann man gezielt vermeintliche Rädelsführer, die z.T. vorher durch Staatsschutzbeamte ausgemacht und observiert wurden, aus der Menge heraus ziehen. Als weitere Taktik professionalisierte die Berliner Polizei die „Käselochtaktik“, in dem sie sich in die Demonstrationen bringen und so die Kompaktheit, aus der heraus Straftaten geschehen können, aufbrechen. Als Einsatzmittel reichen hier die spezielle „Körperschutzausrüstung“ (der sog. KSA), das Pfefferspray (Fachbezeichnung RSG) und der „Teleskop-Tonfa“ (Fachbezeichnung Einsatzmehrzweckstock EMS). Bereits Ende der 1980er Jahre entwickelte man ein Konzept von einer kleineren spezialisierten „Einheit für besondere Lagen und Training“ (EbLT), nach dem Vorbild der bayerischen USK (Unterstützungskommando).
Zwar zeigen einzelne Einsätze, wie der 1. Mai 2009 in Berlin-Kreuzberg oder die militanten Proteste gegen den G8-Gipfel 2007 in Rostock, dass es eine Grenze dieser „Greiftrupps“ als Einsatzmittel gibt, doch weitestgehend konnten Straßenschlachten in Berlin mit Hilfe dieses Konzepts eingedämmt werden. Wenn also auf die Notwendigkeit für ein solches Einsatzmittel (den Wasserwerfer) in Brandenburg gedrängt wird, muss man darauf verweisen, dass in Berlin dieses Mittel kaum benötigt wird, obwohl es ein viel größeres Potenzial für Aufstände gibt.
In Hamburg setzt man dagegen weiterhin auf den großen Einsatz von Wasserwerfern. Die Folge daraus sind Bilder von teils länger anhaltenden Straßenschlachten. Die frontale Straßenschlacht ist dabei nicht modern, sondern ein Relikt der Aufstandsbewältigung – zumindest aus Sicht der Polizeibehörden.
Körperverletzung trotz Dienstvorschrift?
Das Innenministerium begeht auch bei der rechtlichen Betrachtung der Anschaffung einer Wasserwerferstaffel einen starken Selbstbetrug. So bezeichnet das Innenministerium den „Aufbau einer Wasserwerferstaffel im Land Brandenburg [aus] taktischen wie rechtlichen Gründen“ als „alternativlos“ und „Ausdruck verantwortungsvollen politischen Handelns“.
Rechtlich geregelt ist der Einsatz von Wasserwerfern in der so genannten „Polizeidienstvorschrift 122„, einer polizeiinternen Vorschrift, die als „Verschlusssache“ vor der Öffentlichkeit geheim gehalten wird. Im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde der 1980er Jahre wurde diese Vorschrift allerdings öffentlich. Geregelt ist in der Vorschrift unter anderem die Mannschaftsstärke, aber auch konkret die Frage, wie mit der Wasserkanone umgegangen werden soll. Unter Ziffer 5.1.3 findet sich dabei der Passus, dass darauf zu achten sei, „dass Köpfe nicht getroffen werden„. Dies stellte 2010 auch noch einmal ein Gutachter im Stuttgarter Landtag fest. Dabei stellte der Gutachter fest, dass ein Wasserwerfereinsatz nur dann gerechtfertigt ist, wenn „gravierenderen Straftaten oder eine unmittelbar bevorstehenden Gefahr für Leib oder Leben der Polizeibeamten“ erkennbar sind. „Sitzblockaden, Beleidigungen von Beamten und selbst das vereinzelte Werfen von Gegenständen wie Kastanien rechtfertigten einen derartigen Einsatz nicht“.
Betrachtet man die Einsätze der letzten 10 Jahre in Brandenburg, ist also ein Wasserwerfereinsatz bisher nicht zu rechtfertigen gewesen und auch ist dies derzeit nicht absehbar.
Der Gutachter kam nach den harten Auseinandersetzungen am Rande der Proteste von „Stuttgart 21“ zum Einsatz. Dort wurde mit harten Wasserdruck einem Menschen direkt ins Gesicht geschossen. Das Bild eines Mannes mit Augen, aus denen Blut lief ging durch alle Medien. Doch auch Treffer auf den Körper können schwere Verletzungen mit sich bringen. Bei der Verfassungsbeschwerde in den 1980er Jahren wurden multiple Hämatome im Oberkörper und Rippenserienfrakturen festgestellt. Ebenfalls in den 1980er Jahren erlitten Personen, die von Wasserwerfern getroffen wurden Nabelbrüche, Nierenprellungen und innere Blutungen.
Ob der Einsatz mit der Wasserkanone daher im Rahmen des § 3 des Brandenburger Polizeigesetz (der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit) probat ist, darf bezweifelt werden.

Die besondere „Lichtquelle“ – ein „WaWe 10“ leuchtet auf eine Sitzblockade in Potsdam Anfang 2016 © Sören Kohlhuber
Lächerlich wird es, wenn der „WaWe 10“ mit anderen Attributen ins Feld geführt wird, um ihn schmackhaft zu machen. So kann man Störer über Lautsprecher ansprechen, dabei hat man bereits einen Lautsprecherkraftwagen (LauKW) im Fuhrpark. Gleichzeitig hat der „WaWe 10“ die Möglichkeit „unübersichtliche Einsatzräume auszuleuchten und damit kommunikativ-taktisch Gewaltbereitschaft bei Störern zu minimieren“. Für diese Fälle verfügt der Fuhrpark der technischen Einheit (TEE) über Lichtmast und Lichtmastkraftwagen (LiMa u. LiMaKw). Diese wurden u.a. im vergangenen Winter bei rechten Aufzügen in Oranienburg und Cottbus verwendet.
Unter den verschiedenen Aspekten betrachtet ist die rot-rote Landesregierung gut damit getan, weiterhin auf eine eigene „Wasserwerferstaffel“ zu verzichten und das bewährte Konzept aus Anti-Konflikt-Team-Einheiten und dem Einsatz der vorhandenen BFEen nicht zu verlassen. Eine quasi militärische Hochrüstung kann eskalierend wirken und sollte daher vermieden werden.