Neonaziangriff nach Fußballspiel in Wurzen

Was macht die sächsische Polizei, wenn mehrere dutzend Neonazis durch Wurzener Straßen ziehen? Richtig: sie konzentriert sich auf Antifaschisten. Was machen Neonazis, die wissen, dass sie unbeobachtet sind? Richtig: sie greifen an. So geschehen am 12.05.2019 nach dem Landesklassenspiel zwischen „ATSV ‚Frisch auf‘ Wurzen“ und „Roter Stern Leipzig“.

Am Sonntagnachmittag kam es in Wurzen zu einem Angriff auf das Kultur- und Bürgerzentrum des „Netzwerk für demokratische Kultur e.V.“. Die etwa 30 Neonazis, welche teilweise vermummt waren, konnten geringen Sachschaden anrichten. Zuvor besuchten sie mit weiteren Neonazis das Spiel „ATSV ‚Frisch auf‘ Wurzen“ gegen „Roter Stern Leipzig“ (RSL 99).

Unter Polizeischutz zu einem Spiel der 7.Liga. Normal, wenn Fans von Roter Stern Leipzig nach Wurzen müssen. Gleichzeitig Protest gegen Fahnenverbot durch den „ATSV ‚Frisch auf‘ Wurzen“. © Sören Kohlhuber

Wurzen hat seit Jahren eine starke rechte Szene, die sich u.a. auch aus diesem Fußballverein und seinen Zuschauern speist bzw. bei dem Neonazis aktiv waren. Ein Gastspiel des RSL 99 ist daher für die Polizeikräfte ein Sicherheitsspiel – auch in Liga 7.

Damit es nicht zu Ausschreitungen kommen konnte, gab es mehrere repressive Maßnahmen, die vor allem die Gästefans betrafen. So wurden ihnen vom Wurzener Verein sowohl Fahnen, Tapeten als auch Zaunfahnen verboten. Damit wollte man vermeiden, dass potenzielle Neonazis provoziert werden könnten, statt einfach die Neonazis vom Spiel auszuschliessen.

Bereits ab der Abfahrt im Leipziger Stadtteil Connewitz wurden die Fans des RSL 99 von drei Einsatzfahrzeugen einer sächsischen Hundertschaft bis zur Rückseite des Stadions eskortiert, man wollte ein Zusammentreffen mit möglichen Wurzener Neonazis verhindern. Diese standen bereits im Stadion – es waren mehr als 60, darunter knapp 40 geschlossen in schwarz. Unter den Schwarzgekleideten sollen sich viele Neonazis aus den Fanreihen des 1.FC Lok Leipzig befunden haben. Netterweise schossen sie ein Gruppenfoto und verteilten es in den sozialen Netzwerken.

Mobfoto von vor allem jungen Lok-Anhängern und Neonazis in Wurzen. 3.v.r. Toni Bierstedt. © anonyme Zusendung

Auf dem Foto ist u.a. der 21-jährige Wurzener Toni Kurt Bierstedt. In seiner Jugend war er Schiedsrichter für den ATSV „Frisch auf“ Wurzen, sowie Spieler. Heute ist er Kandidat auf der Wählerliste „Neues Forum Wurzen“ zur sächsischen Kommunalwahl im Mai 2019. Auf dieser Liste befindet sich auch der bundesweit bekannte Neonazi Benjamin Brinsa. Gegen die beiden wurde bzw. wird wegen Verstoß gegen das Waffengesetz und Bedrohung ermittelt. Hintergrund ist eine Ansammlung von etwa einem Dutzend, teils bewaffneten und vermummten Neonazis am 20.01.2018 in Wurzen. Toni Bierstedt trug dabei einen Teleskopschlagstock, war unvermummt. Ihr Ziel war die Bedrohung und vermutlich auch ein möglicher Angriff auf Antifaschisten und Journalisten, während zeitgleich eine antifaschistische Kundgebung stattfand. +++zensiert+++ Die beiden sollen laut Augenzeugen ebenfalls am Sonntag versucht haben das Spiel des ATSV zu besuchen. Möbius war einst Torwart bei den Wurzenern, inzwischen hat er ein Hausverbot, weshalb er diesmal vom Zaun aus zugucken musste. Möbius war laut Antifa-Recherchen auch einer der Neonazis, der am 11.01.2016 gemeinsam mit über 200 anderen Neonazis das Leipziger Stadtviertel „Connewitz“ angegriffen hatte.

Teilweise vermummt Neonazis mit verschiededen Waffen in Wurzen am 20.01.2018
2.v.r. Toni Bierstedt © Sören Kohlhuber

Cedric Scholz am 20.01.2018 in Wurzen, kurz vor Anmeldung seiner spontanen Kundgebung. © Sören Kohlhuber

Einer der ebenfalls beim Angriff vom 11.01.2016 dabei gewesen sein soll, ist Cedric Scholz. Der 21-jährige Neonazi wurde auch am Spielfeldrand am Sonntag gesehen. Auch er war Sportler in Wurzen, als Jugendlicher schwamm er beim „Schwimmclub Wurzen“ seine Bahnen. Während Bierstedt und Co. am 20.01.2018 mit Waffen die Wurzener Bahnhofstraße betraten, versammelte Scholz die eher jungen, noch unorganisierten Neonazis aus Wurzen zu einer Kundgebung unter dem Motto: „Kein Fußbreit den Antideutschen“ in der Nähe der antifaschistischen Kundgebung. Mehr als 30 Jugendliche folgten ihm.

Am Sonntag im „Stadion“ von Wurzen skandierten sie Gewaltankündigungen wie „Wenn wir wollen, hauen wir euch um“. Kurze Zeit später folgte der Angriff auf das NDK. Laut der „Leipziger Volkszeitung“ waren die schwarz gekleideten „nicht zum normalen Wurzener Anhang gehörend“ – richtig: Es waren u.a. ehemalige Spieler.

Update 20.05.2019:

Mobfoto von Neonazis beim B-Jugend-Spiel des ATSV.
4.v.l. Cedric Scholz © anonyme Zusendung

Bereits am 30.04.2019 tauchten ebenfalls etwa zwei Dutzend Neonazis bei einem Spiel der ATSV Wurzen auf. Die B-Jugend des ATSV empfing die BSG Chemie Leipzig. Im Umfeld des Stadions sollen die Neonazis, unter denen sich Cedric Scholz befand, mit „Juden Chemie“-Rufen aufgefallen sein.

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