Bleib doch wo der Pfeffer wächst

Nicht erst seit dem letzten Album von Feine Sahne Fischfilet „Gehen oder Bleiben“ ist das Thema „Raus aus dem Dorf, rein in die Großstadt“ ein Streitthema unter radikalen Linken. Nach dem ich letzte Woche meine Titelbild auf Facebook aktualisierte, entbrannte wieder eine kleine Diskussion. Ich finde es erschreckend, mit welchen Argumentationsmustern die (politische) Landflucht begründet wird. Hätte wenigstens einer gesagt, er will den Volkstod auf dem Lande unterstützen oder wahlweise den Genpool verringern – ich hätte lachen und/oder nicken können.


Aufkleber gegen den Wegzug nach Berlin am Bahnhof Babelsberg-Medienstadt © Sören Kohlhuber

Aufkleber gegen den Wegzug nach Berlin am Bahnhof Babelsberg-Medienstadt © Sören Kohlhuber


Meine Erfahrungen und Sicht sind eingeschränkt, wie die von vielen, ich möchte fast sagen von allen Menschen. Ich weiß nicht wie das politische Leben in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg oder Schleswig-Holstein ist. Maximal kann ich aus eigenen Erfahrungen in Berlin und Brandenburg sprechen, ergänzt durch Informationen aus Gesprächen mit Menschen aus Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen.

Am 11.02.2016 gab es in Berlin eine Informationsveranstaltung mit Antifaschisten aus dem Land Brandenburg. Sie berichteten über ihre Arbeit, die Neonazis vor Ort, das Fehlen von Unterstützung und dem Einbruch der Strukturen, sobald linkspolitische Menschen nach Berlin beziehungsweise Potsdam ziehen. Im Zuschauerraum saßen vor allem Menschen die bereits einen Bezug zu Brandenburg hatten, weil sie von Brandenburg nach Berlin zogen und sich über alte Zeiten austauschen oder auf die Probleme in ihren Orten hinweisen wollten. Nur wenige Berliner fanden sich ein, es gab auch Stimmen, die kein Interesse an der Veranstaltung, sondern nur Bier hatten.

Die Problematik der fehlenden Unterstützung für Antifaschisten in den Orten, wo die Dichte an antifaschistischen Widerstandsnestern geringer und die der Neonazis größer wird ist bekannt und nicht nur in diese Fall auf die Beziehung Berlin-Brandenburg bezogen.

Was für die Brandenburger Gesamtberlin ist, ist für die Menschen in Berlin außerhalb des S-Bahn-Ringes im B-Bereich bereits die Szene, die sich vor allem im innerstädtischen A-Bereich, den Bezirken Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln aufhält. Im September des Jahres 2014 gründete sich im Berliner Nordosten eine Antifagruppe, die „sich die antifaschistische Praxis in den Randbezirken von Berlin als Schwerpunkt ihrer politischen Arbeit gesetzt hat.“ Die „Berliner OutBack Antifa“ (BOBA) ist verstärkt in den Randbezirken Hohenschönhausen, Hellersdorf oder dem Pankower Ortsteil Buch aktiv. Orte, in denen Neonazis im Ortsteil, Bezirk und Kiez mit ihren Aufklebern, Demonstrationen und Mahnwachen aktiv sind, beeinflussen sehr wohl den Diskurs wenn es z.B. um den Zuwachs durch Flüchtlinge kommen soll, wenn es keine Gegenintervention gibt.

Zwar kommt man mit der S-Bahn leicht in die Außenbezirke und auch wieder weg, dennoch fanden im Jahr 2015 nur selten mal eine große Gruppe von 50+ Menschen regelmäßig den Weg aus den sicheren „Wohlfühlfestungen“. Eine langfristige Unterstützung konnten sich die lokalen Initiativen, Strukturen und Menschen aus dem A-Bereich nicht sicher sein. Offenbar war es zu anstrengend ein bis zwei Mal in der Woche für 20 Minuten in der S-Bahn zu sitzen und wieder einen Aufmarsch der Neonazis nicht verhindern, sondern maximal kritisch begleiten zu können. Die fehlenden Erfolgserlebnisse und das Gefühl, dass dieses Problem ja weit weg vom eigenen Wohnort ist scheinen die Hauptgründe für die fehlende Solidarität mit den Außenbezirken zu sein. Das sehen auch die Antifaschisten in Brandenburg und wissen daher – eine Mobilisierung in Berlin macht wenig Sinn. Selbst ehemalige Brandenburger lockt man nur selten ins Land der Wölfe und der zwei Nazis auf dem Hügel.
Nachfolgend gehe ich auf einige Kommentare ausführlicher ein, als ich es auf Facebook getan habe oder reagieren würde.

Auf dem Dorf ohne lebenswertes Leben für einen bleiben, weil die Neonazis auch da sind? … weiß nicht, überzeugt nicht so richtig.

Die Aussage ist richtig und problematisch zu gleich. Warum ist das Leben auf dem Dorf ohne lebenswert? Wie definiert sich lebenswert? Ist der Biomarkt oder der Vegananteil im Supermarkt in der Rigaerstraße das was wir als „lebenswert“ bezeichnen? Oder sind es die reichhaltigen Kulturangebote aus linker Kneipe, Kino, Konzerträume und Shoppingtempel?

Anfang der 1990er Jahre sahen dies junge Linke in Brandenburg ähnlich. Aus politischem Kampf gegen die „kulturelle Armut“ im Dorf beziehungsweise der Kleinstadt wurden Häuser besetzt. Orte wie Neuruppin zeigen, dass kontinuierliche Arbeit notwendig ist, denn noch heute gehört das im Jahre 1993 besetzte Mittendrin, zu den Orten die gegen Neonazis aktiv sind. Es bietet einer ganzen Region einen lebenswerten Ort, eine politische Kultur und Schutzraum. Auch in anderen Orten, wie Saalfeld (Thüringen), stellen kleine Subkulturen, die immer wieder durch die dagebliebenen aufrecht gehalten werden, den Widerstand gegen einfallende Neonazis dar. So berichteten mir Jugendliche, dass Neonazis von den umliegenden Dörfern immer wieder versuchen in die Stadt reinzukommen, Propaganda zu verteilen, aber durch antifaschistische Intervention zurückgedrängt werden können. Die Aktivisten in Saalfeld könnten auch ohne Probleme in die Hochburg Jena oder der Anonymität in Erfurt fliehen. Doch sie bleiben und sind so ein „gallisches Dorf“ umgeben von Orten wie Kahla, Rudolstadt oder Illmenau. Pathetisch gesagt – ein „Widerstandsnest im Feindesland“.

Gibt eben auch andere Gründe aus der Provinz wegzuziehen: Ausbildung, Uni, Job, Liebschaften und von mir aus auch der verständliche Wille mal mehr als nur den Acker und den Marktkauf vor seinem Fenster zu sehen.

Dies sind die Gründe für eine allgemeine Landflucht. Dass der Arbeitsmarkt in der Prignitz oder der Uckermark nicht der Beste ist dürfte klar sein. Auch ein Studium lässt sich in Perleberg vermutlich nicht leicht machen. Aber eine Erzieherausbildung in Berlin, um vielleicht in einem Kinderladen statt in einer staatlichen Kita arbeiten zu können, muss nicht der Heilsbringer sein. Wer „Staat, Nation, Kapital, Scheiße“ ruft, sollte eben überlegen, ob er politisch in der Gesellschaft was verändern will oder eben nur ein Hobby als Alternative zu PC-Spielen, Fußball oder Briefmarken sammeln, gesucht hat. Das heißt nicht, dass er nicht im Zwang des Systems auch guckt, ob und wie er überlebt oder die Annehmlichkeiten des Systems für sich nutzt, doch ist es schon verwunderlich, wenn man die Begründung des Lohnerwerbs über den politischen Kampf stellt. Spätestens aber mit der fertigen Ausbildung und dem Studium wäre es doch wünschenswert, die Menschen würden wieder zur Wurzel ihrer politischen Sozialisation (meist ja der Nazistress im Dorf) zurückkehren und dort intervenieren.

Muss es immer das Studium sein? Im Einheitsfrontlied von Ernst Busch heißt es schön Es kann die Befreiung der Arbeiter nur das Werk der Arbeiter sein. Allerdings geht es in der Dienstleistungsgesellschaft Deutschland auch der radikalen Linken nicht mehr um die Befreiung der Arbeiterklasse (sofern es diese überhaupt gibt), sondern um den Konkurrenzkampf im Kapitalismus. Dazu zählt vor allem das geistige Kapital, dass man eben nur an Universitäten erhält. Packst du dies nicht, wirst du wohl „Hartzi“ – entweder aus Überzeugung oder als Betroffener klassistischer Diskriminierung durch Gesellschaft, Staat und Teilen der radikalen Linken, welche über die „Ronnys und Mandys“ ihre Nase rümpfen. Alternativ bleibt die 40-Stunden-Woche in einem klassisch erlernten Beruf. Doch hier gibt es dann Stimmen, die meinen, dass aufgrund der Arbeit eben keine Zeit und Kraft mehr für Politik vorhanden sei. Ob Studi oder Arbeiter – die Kraft für Konsum auf Konzerten, Partys und Kneipen in Berlin ist allerdings immer ausreichend gegeben.

In ländlichen Regionen gibt es viele günstige leerstehende Häuser. Die Mieten in Orten wie Berlin steigen exorbitant. Den Kampf gegen Gentrifizierung gehen nur Wenige an – es ist ein Kampf der derzeit nicht gewonnen werden kann. Während die Neonazis gezielt aufs Land ziehen, sich Haus und Hof kaufen, ziehen Linke lieber in die Stadt und in den Konkurrenzkampf um die wenigen freien Mietwohnungen – am besten nahe der pulsierenden Hotspots für Kultur und Politik. Zeitgleich verdrängen Staat und Polizei gezielt besetzte Projekte. Eine Lösung dagegen ist auch, dass man auf dem Land kommunenähnliche Gebilde schafft, um dort eventuell intervenieren zu können und günstigen Wohnraum zu schaffen.

„Jo wenn man als Lebensgrundlage nur den Antifaschismus hat, dann passt es. Aber da wir auch von Kultur, Freunde, Arbeit, Ausbildung, Hobbys, kulinarischen stuff, etc Leben, kann man es wohl nicht darauf reduzieren.“

Die Lebensgrundlage ist die Verbesserung des individuellen Lebens. Dies sollte aber nicht egoistisch außerhalb des Kollektiv geschehen. Eine Verbesserung des individuellen und kollektiven Lebens kann ebenfalls nicht erzielt werden, wenn man sich auf den Hedonismus und eigenen Konsum konzentriert. Das Ziel muss lauten, dass alle in Freiheit und Gleichheit leben können. Dies wird aber durch Egozentrismus und Egoismus blockiert. Im Endeffekt wird man durch den derzeitigen Lifestyle maximal nur fett und faul. Wozu sich bewegen, wenn das Leben eben „lebenswert“ ist und keine Verbesserung bedarf. Antifaschismus als Konsumgut in eine Reihe mit Kultur, Freunde, Hobbys, kulinarischen Stuff, beziehungsweise mit kapitalistischen Sachzwängen wie Arbeit und Ausbildung zu stellen, zeigt allerdings schon welchen Stellenwert eben der politische Kampf für viele offensichtlich hat.

Antifaschismus muss allerdings mehr sein als ein Hobby, ein Label oder der Sinn der jugendlichen Rebellion bis zu Studiumende oder der Gründung einer eigenen Familie. Man muss ihn in seiner Grundlage als fortwährenden Abwehrkampf gegen Neonazis. Zeiten in denen sie schwach sind oder – wie aktuell – auch in Zeiten in denen sie stärker werden. In Orten in denen sie fast unsichtbar sind, genauso wie in Orten in denen sie eben eher an ihre geliebten „Nationalbefreiten Zonen“ herankommen. Stimmen sagen, Antifaschismus ist nicht nur gegen die offensichtlichen Neonazis gerichtet, sondern kann im günstigen Fall auch präventiv angelegt werden. Orte in denen Neonazis nichts mehr zu sagen haben, sind keine Orte in denen sich Antifaschisten also zurücklehnen können. Dies sind die Momente, in denen man die Möglichkeit hat intensiver an einer Verbesserung der allgemeinen gesellschaftlichen Situation (vor Ort) zu arbeiten und so eine mögliche rechte Intervention in der Zukunft vorbereiteter begegnen zu können.
Gerade jetzt wo viele Flüchtlinge in die ländlichen Gebiete (wie bereits Anfang der 1990er Jahre) abgesetzt werden, zeigt sich der Fehler der Landflucht. Mit einer starken Antifabewegung, die in ihren kleineren Städten frühzeitig eine alternative Szene aufgebaut hätte, könnte eine Gegenwehr entstehen. Doch so laufen die Neonazis vieler Orts ohne Widerstand durch die Städte und Gemeinden, während in den Metropolen über den Dorfmob gewettert wird. Aus den Fehlern ihrer Vorgängergenerationen haben die Antifaschisten bis heute nichts gelernt. Sie hauen weiterhin größtenteils so schnell wie möglich ab, bieten weiterhin kaum Hilfestellung beim Aufbau neuer Strukturen an oder fahren eben selber kaum noch raus, bzw. mobilisieren nicht, wenn der braune Mob mal wieder an ihren ehemaligen Wohnhäusern oder der Straße des Elternwohnsitz vorbeizieht.

„Die starke linke Szene in den größeren Städten ist doch auch deshalb so stark, WEIL sich dort so viele junge „Landflucht-Linke“ zusammentun um als laute, große Gemeinschaft aktiv zu werden! Gut so, denn jeder Blick aus der Provinz auf eine derart geballte Kraft rüttelt auf, motiviert und macht Mut, sich auch in der hintersten Ecke zu engagieren (…wobei der antifaschistische Kampf in der Kleinstadt und/oder komplett ländlichen Gebieten wegen der ganz anderen Nähe zum rechtsdrehenden Nachbarn natürlich völlig anders aussieht…). Darum ist es doch ziemlich egal, WO man sich dem Nazipack entgegenstellt….Hauptsache, man tut es! (…und AMEN, SISTER!)“

Unterhält man sich mit Antifaschisten aus Neuruppin, so sind diese durch die nächst größere Stadt Berlin eben nicht aufgerüttelt und motiviert. Sie wissen, dass sie bis auf den 06.06.2015, als hunderte Antifaschisten aus anderen Bundesländern den ersten „Tag der deutschen Zukunft“ verhinderten, weitgehend im Stich gelassen werden. Sollten die Antifaschisten aus der Großstadt doch mal vor ihre Stadttore in die Wildnis treten, so verhalten sie sich wie auf einer „Safari in Afrika“. Er will die Löwen, die er sonst nur im Zoo sieht, jagen und erlegen. Übersetzt: Neonazis, die eben nicht in Reservaten, sondern überall freiherum ziehen, jagen und am besten noch eine Trophäe mit nach Hause bringen. Dann war es das aber auch. Eine kontinuierliche Unterstützung bleibt aus – es wird ein einmaliges Erlebnis, ein Event sein. Anschließend tragen vor Staat, Gesellschaft und Neonazis die lokalen Akteure die Verantwortung für das „Wilde-Sau-Verhalten“ der Großstädter.

Bei der Veranstaltung Brandenburger Initiativen Anfang Februar sprachen alle Aktivisten auf dem Podium davon, dass sie nichts davon haben, wenn Berliner Linke aufs Land kommen um einmal alles umzupflügen, da man über Jahre mit lokalen Akteuren der Zivilgesellschaft das „zarte Pflänzchen der Solidarität“ aufgebaut hat, um überhaupt Antifaarbeit in der Gemeinde oder der Kleinstadt machen zu können. Wichtiger sei es, auf die Bedürfnisse vor Ort einzugehen, auch wenn diese nicht so actionreich oder erfolgsversprechend sein. Konzepte, wie die „Strafexpeditionen“ der 1990er Jahre (beschrieben unter anderem im Buch „Autonome in Bewegung„) sind vorbei. Im flachen Land sieht man politische Arbeit als Langzeitprojekt.

„Man muss noch nicht einmal links sein, um den Nazis in seinem Dorf, seiner Stadt oder seinem Stadtteil entfliehen zu wollen. Aber auch für Menschen, die einfach nur gegen Nazis sind, ist es schöner, wenn Gleichgesinnte in ihrer Nähe wohnen bleiben und sie so im Kampf gegen Nazis in ihrer Umgebung nicht allein dastehen.“

Asylsuchende haben das zweifelhafte Glück, direkt in ein Nazinest gesetzt zu werden. Sie sollen angeblich in Sicherheit sein, doch da warten in Eisenhüttenstadt, in Pätz, Freital oder auch in Berlin-Buch bereits die Menschen, die sie bespucken, angreifen und mit Waffengewalt zur weiteren Flucht zwingen wollen. Wer „Refugees Welcome“ ruft, kann nicht ernsthaft davon ausgehen, dass Flüchtlinge, radikale Linke und die „Otto Normalbevölkerung“ ins enge Friedrichshain-Kreuzberg passen und dabei die Mieten sozialverträglich bleiben. Noch ist der Sozialismus nicht erreicht und im Kapitalismus wird der Preis für Güter per Angebot/Nachfrage ermittelt. Umso wichtiger sind Aktivisten in kleinen Gemeinden und Städten, die sich zusammenschließen. Die lokale Bündnispartner suchen, um Flüchtlinge bei ihrem Ankommen in Deutschland zu unterstützen, sich wie in Rudolstadt als Puffer vor die Asylunterkunft zu stellen oder in Lübbenau zeigen – es gibt keinen rassistischen Konsens in der Stadt. Dabei kann aber auch eine starke regionale Szene als Vernetzung von Vorteil sein. Berlin, welches mitten in Brandenburg liegt, kann nicht blind sich über Neonazis in Sachsen echauffieren, wenn in Brandenburg, also vor der Berliner Haustür 500-1000 Rechte aufmarschieren, Unterkünfte niederbrennen und Anleitungen zum Bombenbau in Briefkästen verteilt werden.

„Heißt dies, du machst nun nur noch Fotos aus deiner alten Wohngegend?“

Nein. Das heißt, dass sollten es die Lebensumstände ergeben, ich entweder wieder in meine alte Wohngegend oder schlimmer direkt in ein kleines süßes Dorf ziehen würde und eben von dort aus das machen werde, was ich jetzt mache – in die Provinz fahren. Dann fahre ich nach Lübben, wo die Polizei sichtbaren Gegenprotest von bürgerlichen Kräften untersagt, während sich 500 Rechte sammeln. Oder nach Lübbenau, wo sich bis zu 700 Rechte, aber nur 5-20 Gegendemonstranten einfinden. Oder nach Oranienburg und Cottbus, wo es zeitweise gar keinen Gegenprotest im Jahr 2015 gab. Lieber fahre ich in die Provinz, treffe Antifaschisten vom Dorf und erfahre wie es ihnen geht, ob und wie man ihnen helfen kann. Lieber rufe ich mit Hilfe meiner Bilder dazu auf, die Provinz nicht zu vergessen und erreiche 1-2 Personen in der Großstadt, die sich dazu ermutigt fühlen nach Zossen oder Rathenow zu fahren. Zeige mit meiner Anwesenheit den lokalen Akteuren – ihr seid nicht alleine. Mit der Kamera kann ich mich zwar nicht auf die Straße setzen und blockieren, auch wenn es in allen Fingern manchmal juckt. Aber ich kann Zusammenhänge auf den Dörfern beleuchten und eventuell so lokalen Akteuren bei der Identifizierung von Hetzern helfen.

Ich würd mich freuen, wenn ich dabei nicht immer wieder alleine unterwegs wäre. Am Rande eines AfD-Aufmarsches in Berlin kündigte ein Berliner Neonazi bereits an, dass ich für meine Aktivitäten noch eine Rechnung offen habe. Wörtlich sagte er: „Interessant, wo du überall alleine hinfährst. Irgendwann bekommste was vorn Kopp.“ Jap. So ist es eben. Die „Freiheit stirbt mit Sicherheit“, „lieber aufrecht sterben, als auf Knien leben“ und „wer sich nicht bewegt spürt seine Ketten nicht“. Mir würden noch allerhand solcher Phrasen einfallen.

Am Ende bleibt es aber dennoch die eigene individuelle Entscheidung.

Ich hoffe, es entscheiden sich immer auch welche fürs Bleiben. Für den Kampf vor Ort. Für das Zurückkehren. Für das gezielte Ziehen in die Provinz. Oder wenigstens, dass sie ihre alte provinzielle Heimat nicht vergessen, sondern von ihrer neuen sicheren Heimat aus solidarisch und praktisch den daheim Gebliebenen zur Seite stehen. Das sie vielleicht vorbeischauen und ihre WG und neues soziales Umfeld davon überzeugen auch mal die Fuß vor die Tür bzw. die Stadtgrenze setzen.

Aufruhr, Widerstand – es gibt kein ruhiges Hinterland?

Eine Antwort zu “Bleib doch wo der Pfeffer wächst

  1. Was rauchst DU denn?
    Zitat: Die Aktivisten in Saalfeld … bleiben und sind so ein “gallisches Dorf” umgeben von Orten wie Kahla, Rudolstadt oder Illmenau. Pathetisch gesagt – ein “Widerstandsnest im Feindesland”.

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