„Sie betrachten uns ja als wertlose Ausländer, also was soll’s, eben einer weniger“

Gedenkstein für Farid Guendoul © Opferperspektive

Gedenkstein für Farid Guendoul © Opferperspektive

Die „Hetzjagd von Guben“ sorgte und sorgt bis heute für bundesweiten Gesprächsstoff. In der brandenburgischen Stadt Guben jagten Alexander Bode und weitere Neonazis eine Gruppe von Asylsuchenden durch die Straßen.

Die drei Asylsuchenden feierten vorher in einer Diskothek, die Neonazis tranken erst in einem Plattenbau, hörten dabei Landser und wollten ebenfalls anschließend in eine Diskothek. Nach einem Streit mit Vietnamesen in dieser Diskothek versammelten sich immer mehr der Neonazis an einer Tankstelle. Ihr Ziel war es in die Disko „einzureiten“ und sich zu rächen. Bei einer anschließenden Fahrt durch die Stadt entdeckte Alexander Bode die drei Asylsuchenden und blies zum Angriff. Sie jagten sie durch die Stadt. Den Ersten, Khaled Bensaha, den sie bekamen, traten sie so, dass er mit dem Kopf gegen eine Stoßstange eines parkenden Autos fiel. Anschließend bewarfen sie ihn mit einem Pflasterstein. Er verlor das Bewusstsein und sie ließen von ihm ab, da sie dachten er sei tot.
Farid Guendoul und ein weiterer Begleiter, Issaka Kaba, fliehen weiter. Bei der Flucht trat Farid Guendoul die Scheibe einer Haustür ein, dabei verletzte er sich an einer Schlagader. Er bat mehrfach seinen Begleiter, Issaka Kaba, ein Taxi zu holen. Während dieser es in ein Taxi schaffte, verblutete Farid Guendoul im Hausflur.Der Taxifahrer erkannte die Situation, versucht zu fliehen. Beide wurden nun wieder durch eines der Naziautos verfolgt. Der Taxifahrer brachte Issaka Kaba in ein Bistro und forderte die Wirtin auf den Asylsuchenden zu schützen. Dies tat sie couragiert gegen sechs Rechte, in dem sie mit ihren Hunden drohte. Die Neonazis rufen die Polizei, diese nimmt Issaka Kaba fest, da sie davon ausgingen, er habe Körperverletzungen begangen. Selbst als er in der Wache einsaß, versuchten die Neonazis diese zu stürmen und den Asylsuchenden zu töten. Zeitgleich stellte ein Notarzt den Tod von Farid Guendoul fest. Nachdem Khaled Bensaha aus seiner Ohmnacht erwachte, torkelte er zur Diskothek, dort wurde die Polizei alarmiert. Auf der Wache wollte er eine Aussage machen, doch die Beamten schickten ihn weg. Er sah zwar Issaka auf der Wache, durfte aber nicht mit ihm sprechen. Nach einem kurzen Aufenthalt in der Flüchtlingsunterkunft ging er ins Krankenhaus, eine Versorgung der Wunden fiel aus, da er keinen Krankenschein hatte. Dort erfuhr er vom Tod seines Freundes Farid Guendoul.
In einem Interview berichtete später Khaled Bensaha: „Nachdem Farid gestorben ist, musste ich nun feststellen, dass du wirklich dein Leben aufs Spiel setzt, dass du von einem Moment auf den anderen tot sein kannst. Dass du deine Würde nicht verteidigen kannst, okay, ob du im Recht bist oder nicht, egal, aber dein Leben riskieren, das ist zu viel.“ Im Interview sagte er auch über die Reaktion aus der Bevölkerung nach dem Tod von Farid Guendoul: „Sie betrachten uns ja als wertlose Ausländer, also was soll’s, eben einer weniger.“ Auf die Frage, wie die Hetzjagd sich auf sein Leben ausgewirkt hat, sagte er, „Ich habe verstanden, dass mein Leben in Gefahr ist. Das sie eines Tages wiederkommen und mich erneut angreifen können und ich wie mein Freund dabei ums Leben kommen kann.“

Der 28-jährige Farid Guendoul wurde als eines von 10 Kindern in Algerien geboren. Er studierte dort Flugzeugtechnik, arbeitete aber nur als Hilfskraft am Flughafen. 1997 stellte er einen Antrag auf Asyl. Er wollte der Armut und dem Bürgerkrieg entfliehen und eine sichere Zukunft haben.

Nach mehr als einem Jahr wurden die Urteilssprüche gegen die Neonazis gesprochen. Die drei Rädelsführer erhielten zwei bis drei Jahre Haft. Alle anderen Tatbeteiligten Bewährungsstrafen. Verurteilt wurden sie wegen Körperverletzung mit Todesfolge.

Bis heute ist dieser Fall Teil des Jurastudiums, da sich das Farid Guendoul sich selbst tödlich verletzte und somit die Frage ist, ob die Neonazis für den Tod verantwortlich gemacht werden konnten und können.

Teile der Täter von der Hetzjagd sind bis heute in der rechten Szene organisiert. Alexander Bode und zwei weitere Mittäter traten für die NPD bei der Kommunalwahl 2008 in Brandenburg an, Bode unter anderem für die Stadtverordnetenversammlung von Guben. Zehn Jahre nach der Tat griff der mittlerweile 30-Jährige mit zwei weiteren Neonazis einen 14-Jährigen an. Er hatte im Wahlkampf 2008 NPD-Plakate von Laternen geholt. Bis heute tritt Alexander Bode vor allem als Ordner bei rechten Aufmärschen in Südost-Brandenburg auf. Im vergangenen Jahr (2015) versuchte er Journalisten am Rande eines NPD-Aufmarsches gegen eine Asylunterkunft in Cottbus einzuschüchtern. Anschließend hetzte er vier Neonazis auf die Journalisten – einen Übergriff verhinderten Polizeibeamte. Jahre nach der Tat wurde von ihm ein Statement verlangt. Er sagte: „ich persönlich habe nichts zu bereuen.“

Direkt nach der Tat folgte eine Kundgebung des Bürgermeisters in Anwesenheit des Ministerpräsidenten. Auch gab es kurze Zeit später eine Antifademonstration mit etwa 600 Teilnehmern. Die Initiative „RE:Guben“ machte es sich in der Vergangenheit zur Aufgabe die Tatnacht aufzuarbeiten und an die Tat zu erinnern.

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